„Technospaces“ – Darmstadt, 18.-20.3.2015

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Mein ehemaliges Graduiertenkolleg „Topologie der Technik“ veranstaltet vom 18.-20. März 2015 eine Abschlusstagung. Der Titel „Technospaces: Persistence – Practices – Procedures – Power“ fasst vieles zusammen, was wir dort seit 2006 gemacht haben. Außerdem präsentieren viele der ehemaligen Doktoranden und PostDocs Ergebnisse ihrer Arbeit. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.

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Rheinisch-Westfälische Kalkwerke, Abteilung Gruiten, Bruch IIIa

Der Bruch IIIa im November 2014, Foto: Haumann
Der Bruch IIIa im November 2014, Foto: Haumann

Der Bruch IIIa der Gruitener Abteilung der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke muss in den ersten Betriebsjahren kurz nach 1900 ein extrem gefährlicher Arbeitsplatz gewesen sein. Die Berichte über Arbeiter, die hier Unfälle erlitten, sind zahlreich, so etwa im Kreisblatt für den Kreis Mettmann vom 22.5.1906: Am Samstag stürzte in Bruch III […] der Arbeiter Z. aus Vohwinkel 22 Meter tief ab und erhielt vielfache äußerliche Verletzungen, glücklicherweise keine lebensgefährliche“. Für viele endeten solche Unfälle aber auch tödlich. Es waren die hohen Abbauwände, die als Ursache ausgemacht wurden, denn die gesetzlichen Abbauregeln wurden vermeintlich befolgt. Der zuständige Gewerbeinspektor Fröhlich berichtete dem Landrat des Kreises Mettmann im November 1904:

„Der Bruch 3a der Bergischen Dolomit- und Weisskalkwerke in Ehlenbeck wird in einer Strosse von ungefähr 20m Höhe betrieben. Da das Gestein massig und unzerklüftet ist, so steht diese Abbaumethode weder in Widerspruch zu den Bestimmungen des § 6d der Polizeiverordnung vom 20. Nov. 1895 über die Anlage und den Betrieb von Steinbrüchen und Gräbereien, noch dem § 6 der Unfall-Verhütungs-Vorschriften der Steinbruchsberufsgenossenschaft. Die Betriebsverwaltung ist auch nach Kräften durch eine scharfe Aufsicht, sowie durch reichliche Anbringung von Notseilen bemüht gewesen, den Abbau des Gesteins möglichst unfallsicher zu gestalten. Bezüglich der letzten beiden tödlichen Unfälle kann auch weder der Betriebsverwaltung noch den Aufsehern der Vorwurf strafbarer Unterlassungen gemacht werden. Trotzdem muß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der großen Abbau-Höhe und der großen Zahl der tötlichen Unfälle (8) in diesem Bruch angenommen werden.“(LANRW(R), BR 0034, 270).

Der Bruch IIIa gehörte vermutlich zu denjenigen Kalksteinbrüchen, die bereits während der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre wieder geschlossen wurden. Besichtigt man den Bruch heute, lässt sich trotzdem immer noch ein wenig von den dramatischen Ereignissen kurz nach 1900 erahnen.

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Einführung in die Arbeit mit Quellen zur Umweltgeschichte der Frühindustrialisierung

In meinem Seminar (Umweltgeschichte der Industrialisierung) haben wir zu Letzt eine Reihe von archivalischen Quellen aus dem früh industrialisierten Siegerland gelesen. Aus diesem Quellenmaterial kann man mit den Studierenden hervorragend herausarbeiten, dass es bereits im 18. Jahrhundert Konflikte um Umweltverschmutzung und begrenzte Ressourcen gab – allen voran die auch in der Forschung breit diskutierte „Holznot“. So verlangte etwa die Oranien-Nassauische Regierung des Fürstentums Siegen 1779 ein Gutachten zu der Frage, „ob das Grubenholz von je her in einem solchen hohen Preise, wie gegenwärtig gestanden habe, oder ob es nach und nach und wann erhöhet worden sey und so weiter.“ Dieses Gutachten ist nicht nur überliefert, sondern liegt inzwischen auch als Digitalisat der Bestände des Landesarchivs NRW (Westfalen) online vor (Fürstentum Siegen, Oranien-Nassauische Behörden, Nr. I A 129, Digitalisat im DFG-Viewer).

Da es nicht nur Ziel des Seminars ist, etwas über Umweltkonflikte im Zusammenhang mit der Industrialisierung zu erfahren, sondern auch den Umgang mit archivalischen Quellen zu vertiefen, haben wir einige Stücke aus dieser digitalisierten Akte gemeinsam transkribiert. Hilfreich war zur Vorbereitung das Internetangebot Geschichte Online und hier insbesondere die „Ersten Schritte im Kurrent-Lesen„. Im weiteren Verlauf des Semesters werden wir das Kurrentschriftlesen und -transkribieren an weiteren Quellen aus dem digitaisierten Bestand einüben, die wir dann auf umweltgeschichtliche Fragen hin interpretieren können.

Stadtbausteine Wohnen

Am vergangenen Donnerstag und Freitag fand der erste Block des Projektseminars „Stadtbausteine Wohnen“ statt. An dem Seminar sind auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich Architektur, dem Fachgebiet Landmanagement und Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre beteiligt. Auch die Studierenden kommen aus den beteiligten Fächern.

Die Idee der Lehrveranstaltung ist, dass Studierende unterschiedlicher Fächer gemeinsam verschiedene „Bausteine“ der Darmstädter Stadtentwicklung analysieren: angefangen bei der (zerstörten) Altstadt über die Mathildenhöhe bis hin zu den Konversionsprojekten der letzten Jahrzehnte. Immer soll am konkreten Beispiel nach dem Entstehungsbedingungen, der Nutzung, der Veränderung von Nutzung und der Gestaltung gefragt werden. Wichtig ist, dass sich die Kompetenzen der der beteiligten Fachdisziplinen ergänzen, dass es also möglich wird, die gestalterischen Qualitäten mit der ursprünglichen Planung und Nutzung der „Bausteine“ in Zusammenhang zu bringen und schließlich daraus auch Vorschläge zum zukünftigen Umgang mit diesen „Bausteinen“ zu entwickeln.

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Neue Veröffentlichung: „Bürgerinitiative für preiswerten Wohnraum“

Mitte Oktober 2014 neu erschienen ist Band 28 des Schweizerischen Jahrbuchs für Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit dem Titel „Wohnen und die Ökonomie des Raums – L’habitat et l’économie de l’espace“. Der Band geht auf eine Tagung zurück, die im Mai 2011 in Bern stattfand. In meinem Beitrag ziehe ich einen transatlantischen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Strategien, die zivilgesellschaftliche Organisationen in den 1960er und 1970er Jahren einschlugen, um für den Erhalt preiswerten Wohnraums in innenstadtnahen Wohngebieten zu sorgen. Die neighborhood organizations der USA setzten dabei insgesamt eher auf direkte Interventionen im Immobilienmarkt, während bundesdeutsche Gruppen den Weg über die kommunalpolitische Regulierung wählten. In der öffentlichen Debatte der letzten Jahre („Mietpreisbremse“) ist das Thema wieder sehr aktuell geworden – ein Blick in die Geschichte lohnt!

Bürgerinitiative für preiswerten Wohnraum. Zivilgesellschaftliche Strategien in den USA und West-Deutschland, 1960–1990, in: Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
28 (2014), S. 295-313.

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Rezension „Wiederaufbau europäischer Städte“

Auf H-Soz-u-Kult ist kürzlich eine Rezension von Georg Wagner-Kyoras Sammelband „Wiederaufbau europäischer Städte“ erschienen. Zu dem Sammelband habe ich mit einem Aufsatz zur Erneuerung des Stadtteils Society Hill in Philadelphia beigetragen. Zwar befasst sich der Sammelband explizit mit dem Wiederaufbau kriegszerstörter Städte nach 1945, aber der Vergleich mit einer nicht zerstörten US-Amerikanischen Stadt erschien mir wichtig, um zu zeigen, dass die Umsetzung der Prinzipien einer modernisierenden Rekonstruktion der Stadt nicht zwingend die Zerstörung voraussetzten.

Wagner-Kyora, Georg (Hrsg.): Wiederaufbau europäischer Städte / Rebuilding European Cities. Rekonstruktionen, die Moderne und die lokale Identitätspolitik seit 1945 / Reconstructions, Modernity and the Local Politics of Identity Construction since 1945 (= Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung 15). Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2014.

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Rheinisch-Westfälische Kalkwerke: Geschäftsberichte

RWK1888

Die Berichte über die ordentliche Generalversammlung der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke für die Jahre 1887/88 bis 1896/97 sind nur noch in einem Exemplar in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen erhalten. Darin finden sich jeweils ein Bericht des Vorstandes, des Aufsichtsrats und die Bilanz, die allerdings nur wenige Seiten umfassen. Die Aussagekraft der Berichte und der Bilanzen sind zwar eher gering. Für die Jahre zwischen 1896/97 und 1912/13 scheinen keine Geschäftsberichte mehr vorhanden zu sein.

Die Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke mit Sitz in Dornap (heute Wuppertal) waren das größte Unternehmen dieser Branche im Deutschen Reich. Sie produzierten hauptsächlich für den Bedarf der Eisenhüttenwerke im Ruhrgebiet. Im Jahr ihrer Gründung (1887/88) waren 480 Arbeiter beschäftigt, die gut 350000t Kalkstein und 50000t gebrannten Kalk herstellten. Zwanzig Jahre später produzierten sie mit 1200 Arbeitern 1000000t Kalkstein und mehr als 600000t gebrannten Kalk.

Gaststipendien GK Topologie der Technik

Das interdisziplinäre Graduiertenkolleg Topologie der Technik ist am Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt angesiedelt. Es wird von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) gefördert (GRK 1343).

Forschungsgegenstand des Graduiertenkollegs ist das Spannungsfeld von Technik und Raum. Das Forschungs­programm zielt – jenseits direkter „Technikfolgen“ – auf die Situiertheit, auf die Raum verändernde und Raum bildende gesellschaftliche Wirkungsmacht insbesondere sogenannter „neuer“ Technologien. Techniktheoretischer Ausgangspunkt ist ein nicht gerätegebundenes Grundverständnis von Technik als „materiellem Dispositiv“. Raumtheoretisch wird beim relationalen Charakter von Räumen angesetzt. Die Beteiligten des Kollegs untersuchen die Topologie der Technik auf vier Ebenen: alltagsräumliche Persistenz, Disposition von Handlungsräumen, Planungs- und entwurfsbasierte Raumkonstruktion sowie simulationstechnische Modellierung. Näheres zum Forschungs- und Lehrprogramm sowie Informationen über die Gruppe der beteiligten Professor/innen finden Interessierte unter http://www.tdt.tu-darmstadt.de

Das Kolleg schreibt

3 Gast-Stipendien

von jeweils 3 Monaten für den Förderzeitraum von Januar bis September 2015 aus. Ein Gaststipendium bietet interessierten Nachwuchswissenschaftler/innen die Möglichkeit, im Themenbereich des Kollegs gelegene Forschungen weiterzuführen sowie den Diskussionszusammenhang des Kollegs zum wechselseitigen Austausch zu nutzen. Hierfür wird ein Arbeitsplatz mit Internetanschluss in direktem Umfeld der anderen Doktorand/innen zur Verfügung gestellt. Ausdrücklich sind auch internationale Gaststipendiat/innen zur Bewerbung eingeladen.

Bitte senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen in Form eines einzelnen pdf-Dokuments mit einer Größe von max. 6 mb an topologie@ifs.tu-darmstadt.de

bis zum 1. November 2014

Beizufügen sind (1) ein Anschreiben (in engl. oder dt. Sprache) mit sachlicher Begründung und persönlicher Motivation für die Bewerbung

sowie Angaben über den gewünschten Förderungszeitraum, (2) ein Lebenslauf, (2) aka­dem­ische Zeugnisse (mit Angaben zu Sprachkenntnissen), (3) eine Projektbeschreibung von maximal 5 Seiten und (4) die Nennung von mindestens zwei Hochschullehrer/innen als Referenz (Empfehlungsschreiben sind nicht erforderlich). Die eingereichten Ideenskizzen sollen sich auf Themen und Thesen des Forschungsprogramms beziehen. Die Bewerber/innen werden gebeten anzugeben, welche Monate sie in Darmstadt verbringen möchten.

Für Nachfragen stehen die Sprecher/innen des Graduiertenkollegs zur Verfügung: Prof. Dr. Petra Gehring (gehring@phil.tu-darmstadt.de) und Prof. Dr. Mikael Hård (hard@ifs.tu-darmstadt.de).

Ein Stipendium beträgt monatlich zwischen 1.365 und 1.467 €; hinzu kommen ein Sachkostenzuschuss in der Höhe von 103 € und ggf.  weitere Zulagen für Eltern nicht volljähriger Kinder. Nähere Informationen zu den Förderbedingungen finden Sie unter www.dfg.de

Historikertag 2014

Zurück vom Historikertag 2014 in Göttingen (http://www.historikertag.de/Goettingen2014/).

Zwei Sektionen waren für mich gleichermaßen wichtig wie anregend: „Wertsachen. Gewinn und Verlust im „global life of things““ und „Die Materialität der Geschichte. Dinge als Signaturen ihrer Epoche“. In beiden Sektionen ist aus meiner Sicht deutlich geworden, wie sehr es immer noch um Objekte, insbesondere von Menschen manipulierte und meist komplexe Artefakte geht, wenn von „Materialität“ die Rede ist. Die Debatte ist zwar inzwischen, vor allem Dank ANT, über die Konzeptionierung von Objekten als reine Bedeutungsträger hinausgegangen. Viele der Beiträge der Sektionen haben zumindest versucht aufzuzeigen, worin eine „agency“ der Objekte liegen könnte und inwieweit von einer „agency“ zu sprechen ist. Insofern baut man hier die Pfade der Erforschung „Materieller Kultur“ allmählich aus. Was aber noch nicht geschieht, jedenfalls nicht in diesen beiden Sektionen des Historikertages, ist, dass die physikalischen Eigenschaften der Objekte systematisch berücksichtigt werden – das bleibt meist oberflächlich und wenig reflektiert. Auch der Verweis auf die naturwissenschaftlichen Nachbarwissenschaften führt eigentlich eher dazu, dass kein eigenständiger geschichtswissenschaftlicher Zugang, in Fortführung der historisch-kritischen Methode, entwickelt wird. Trotzdem war vor allem die Sektion zum „global life of things“ die produktivste, die ich bisher auf einem Historikertag erlebt habe: es wurde kontrovers über die zukünftige Forschung diskutiert.