EAUH 2014

Zurück von der Tagung der European Association for Urban History in Lissabon.

Highlight war für mich ein round table „Urban Agency“, organisiert von Bert de Munck und Simon Gunn. Diskutiert wurde ausgehend von der Frage, wie „Stadt“ oder „das Urbane“ stärker als eigenständiger Faktor in die Forschung einbezogen werden kann. Die Diskussion war theoretisch-methodisch angelegt, ausgehend von Bert de Muncks Plädoryer dafür, an die Actor-Network Theorie anzuknüpfen. Insgesamt hat dieser Vorschlag zwar wenig Widerhall gefunden, aber das Interesse an einer Neubestimmung stadtgeschichtlicher Forschungsansätze war dennoch nicht zu übersehen. Aus meiner Sicht steht dieser round table (gemeinsam mit dem ESF Expolatory Workshop, den wir im März in Darmstadt veranstaltet haben), am Anfang einer Debatte, die uns noch länger beschäftigen wird.

Die Sektion „The Urban Economy: Networks, Flows and Place“, in der ich mein eigenes Paper vorstellen durfte, hat ebenfalls zu spannenden Diskussionen geführt. Hier hat sich aus meiner Sicht bestätigt, dass es dringend nötig ist, die mittlerweile sehr kulturalistisch durchdrungene historische Forschung wieder stärker mit der Wirtschaftsgeschichte zu verknüpfen, die genau diesen methodischen „turn“ nicht mitvollzogen hat. Dass diese Differenz den Austausch, bzw. die Einbeziehung einer Wirtschaftsgeschichte, die stark ökonomisch und quantifizierend argumentiert, schwierig – aber keineswegs unmöglich – macht, hat sich auch in dieser Sektion gezeigt.

Geologische Karte der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen

Die Geologische Karte der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen, zwischen 1838 und 1865 unter der Leitung von Heinrich von Dechen entstanden, ist einer der frühesten systematischen geologischen Aufnahmen. Die Entstehung dieser Karte ist zum einen Wissenschaftsgeschichtlich interessant, zum anderen spiegelt sich im Entstehungsprozess auch die Zunahme von Bergbauaktivitäten im gleichen Zeitraum wider. Die Geologen, von denen die meisten im Hauptberuf Bergbeamten waren, profitierten sichtlich von den Aufschlüssen verschiedenster Kohle- und Erzgruben. Inwieweit der Bergbau von den Erkenntnissen der goelogischen Untersuchung profitierte, lässt sich aus den Quellen dagegen nicht eindeutig rekonstruieren.

Der vollständige Verlauf der Erhebungen, von der ersten Literaturbestandsaufnahme 1838 bis zur Veröffentlichung des letzten Blattes 1865, ist überliefert im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 121, Nr. 8204 bis 8210. Die einzelnen Detailuntersuchungen und Berichte von Bereisungen, auf die in diesen Akten verwiesen wird, sind (zumindest teilweise) überliefert im Bestand I. HA Rep. 194 Geologische Landesanstalt. Das Ergebnis dieser Erhebungen, die gologische Karte selber, steht in der Orginalversion, die zwischen 1855 und 1865 veröffentlicht wurde, auch online zur Verfügung: Geologische Karte der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen.

Tagungsbericht „Dominanz durch Dinge?“

Auf H-Soz-u-Kult ist heute ein Bericht von Florian Schleking über die Tagung „Dominanz durch Dinge? Zum Verhältnis von sozialen Asymmetrien und Materialitäten aus historischer Perspektive“ des Arbeitskreises Geschichte+Theorie erschienen. Ich war mit einem Beitrag zur „sozialen Relevanz der physikalischen Eigenschaften von Kalkstein“ daran beteiligt. Der Vortrag war ein Experiment, das mich in meinem Forschungsprojekt wieder einen Schritt weiter gebracht hat. Es ging mir darum auszuloten, wie weit praxistheoretische Ansätze tragen können, um das Entstehen bzw. die Verstetigung sozialer Strukturen zu erklären. Inzwischen habe ich die Einsichten, die ich in der Diskussion auf der Tagung gewonnen habe, auch in mein Manuskript eingearbeitet. Aber auch darüber hinaus war es eine sehr diskussionsintensive Tagung, die Ende Februar stattgefunden hat. Davon zeugt auch der jetzt erschienene Tagungsbericht: viele neue Ideen und neue Kontakt. Ich selber habe von dieser Tagung noch viel mehr mitgenommen als man in einem Tagungsbericht wiedergeben könnte.

Zum Tagungsbericht

Stellenausschreibungen TU Darmstadt

Gleich zwei neue Stellenausschreibungen an der Tu Darmstadt für Historikerinnenen und Historiker.

Die Kollegen aus dem Mittelalter suchen eine/n wissenschaftliche/n Mitarbeiter/in mit 50%: „Am Institut für Geschichte – Fachgebiet Mittelalterliche Geschichte – Prof. Dr. Gerrit J. Schenk – ist zum 1. Oktober 2014 eine Stelle für eine/n Wissenschaftliche/n Mitarbeiterin/Mitarbeiter – halbtags – in einem zunächst auf 3 Jahre befristeten Arbeitsverhältnis zu besetzen.“ mehr Informationen

Das DFG-Graduiertenkolleg „Topologie der Technik“ sucht einen neuen PostDoc: zur Ausschreibung

Lehrformat im Seminar

Heute letzte Sitzung eines sehr erfolgreichen Seminars „Die Gründung der USA“ im Sommersemester 2014. Perfekte Lehrvoraussetzungen: eine diskussionsfreudige Gruppe von 12 Studierenden. Und ein gutes Konzept. Nach vier einführenden Sitzungen, in denen wir verschiedene Handbuchtexte besprochen haben, haben wir für den Rest der Sitzungen auf die sonst obligatorischen Referate verzichtet. Stattdessen mussten die Studierenden jeweils eine Woche vor „ihrer“ Sitzung eine einseitige Ideenskizze mit Fragestellung, Literaturlage und möglichen Quellen einreichen und dazu einen passenden Aufsatz aus dem Blackwell „Companion to the American Revolution“. Die Beiträge aus dem „Companion“ haben sich als für diesen Zweck gut geeignet erwiesen: sie sind relativ kurz (meist 5-10 Seiten), pointiert und dicht geschrieben und beleuchten alle wesentlichen Aspekte der Amerikanischen Unabhängigkeit.  So hatten wir in jeder Sitzung neben der Ideenskizze eine fundierte Diskussionsgrundlage, auf die sich alle Teilnehmer bei der Besprechung der Ideenskizzen beziehen konnten. Auf dieser Grundlage konnten alle Ideenskizzen in der gemeinsamen Diskussion so weit verbessert werden, dass die Studierenden nun (hoffentlich) alle sehr gute Hausarbeiten verfassen können – nach dem Seminarverlauf gehe ich jedenfalls davon aus. Insgesamt ein gelungenes Experiment mit dem Lehrformat „Seminar“, das ich in kommenden Semestern auf jeden Fall wieder aufgreifen werde.

Neue Literatur zu Jane Jacobs

Im Kontext der Tagung „Queen Jane Jacobs. Jane Jacobs and paradigm shifts in urban planning and urban redevelopment“, an der ich im Mai 2011 teilgenommen hatte, sind jetzt zwei Veröffentlichungen erschienen. Dirk Schubert hat eine Biographie über Jacobs geschrieben, die in der Reihe „Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung“ erschienen ist. Ebenfalls von Dirk Schubert herausgegeben wurden die Beiträge der Tagung von 2011 in einem Sammelband bei Ashgate.

Dirk Schubert: Jane Jacobs und die Zukunft der Stadt. Diskurse – Perspektiven – Paradigmenwechsel (=Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung 17), Franz Steiner Verlag 2014.

Dirk Schubert (Hrsg.): Contemporary Perspectives on Jane Jacobs. Reassessing the Impacts of an Urban Visionary, Ashgate 2014.

Gastvortrag New York im 20. Jahrhundert

Morgen, am 26.6.2014, werde ich im Rahmen des Exkursionsseminars „New York“ des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt einen Gastvortrag zur Sozial- und Planungsgeschichte New Yorks im 20. Jahrhundert halten. Ich freue mich sehr über die Einladung und hoffe, die Exkursionsteilnehmer, angehende Architekten, ein wenig für die historischen Hintergründe der Stadtentwicklung von New York sensibilisieren zu können. Im Mittelpunkt des Vortrags wird die Verzahnung sozialstruktureller Entwicklungen und Paradigmen der Stadtplanung stehen – angefangen von den sozialreformerischen Initiativen nach 1900 bis zur „urban crisis“ der 1970/80er Jahre. Der Vortrag ist in gewisser Weise auch eine Zusammenfassung meiner Übung in diesem Sommersemester, in der wir Quellen zum Thema „20th Century New York“ analysieren.

„Der Steinarbeiter“

Der Steinarbeiter

Am Freitag letzter Woche habe ich in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn einige Jahrgänge der Zeitschrift „Der Steinarbeiter“ ausgewertet. Die von 1897 bis 1934 herausgegebene Zeitschrift war das Organ des Zentralverbandes der Steinarbeiter Deutschlands. Die Zeitschrift ist besonders deshalb wichtig, weil sie eine der wenigen Zeugnisse über die Arbeitswelt der Steinbrüche ist, in denen Arbeiter zu Wort kommen. Ganz offensichtlich artikuliert sich darin zwar auch nur eine bestimmte Gruppe von Arbeitern, die sozialistischen Ideen und der Sozialdemokratie nahesteht, aber im Kontrast zu Berichten von Unternehmern, leitenden Angestellten und Gewerbeinspektoren, eröffnet die Zeitschrift eine weitere Perspektive. Die Frage der Berufssicherheit, bei der Arbeit in Steinbrüchen ein extrem wichtiges Thema, wird im „Steinarbeiter“ ganz anders bewertet als etwa in Veröffentlichungen der Berufsgenossenschaften, die von Unternehmern getragen wurden. Die Vulnerabilität der Arbeiter wird im „Steinarbeiter“ greifbar.

BMBF Agendaprozess

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat einen Aufruf zum Agendaprozess für die Gesites-, Kultur- und Sozialwissenschaften „Zukunft sichern und gestalten“ gestartet. Aus den Ergebnissen des Aufrufs soll ein Rahmen für spätere Ausschreibungen entwickelt werden. Also eigentlich ein wichtiger Schritt, auf den man Einfluss nehmen sollte, denn später werden daran Förderbedingungen geknüpft und Anträge danach bewertet. Andererseits erscheint genau dieser erste und wichtige Schritt intransparent. Was genau geschieht mit den eingegangenen Vorschlägen? Wer bewertet diese und wie werden sie zu Förderrichtlinien? Dazu heißt es auf der Seite des BMBF: „In einem nächsten Schritt wird das BMBF auf diesen Papieren aufbauend thematische Schwerpunkte künftiger Förderbekanntmachungen konkretisieren. Hierzu werden Fachgespräche geführt, zu denen auch Verfasserinnen und Verfasser einschlägiger Papiere eingeladen werden. Die erste Bekanntmachung, auf deren Grundlage konkrete Forschungsprojekte gefördert werden können, soll Ende 2014 veröffentlicht werden.“ Wirklich transparent ist das nicht. Vielmehr erscheint es so, als ob Interessenten mit Vorschlägen zur Agenda die Bewilligung eigener Forschungsprojekte vorwegnehmen könnten – oder auch nicht. Nache dem Motto: Ich setze meine Forschungsschwerpunkte auf die Agenda, um hinterher Fördergelder einwerben zu können. Im Prinzip ist das ja auch völlig in Ordnung, denn scheinbar hat jeder das Recht, sich in den Agendaprozess einzubringen. Man sollte diese Chance also nutzen. Andererseits ist das Verfahren unehrlich, weil es eine Offenheit der eigentlichen Förderung suggeriert, die es so nicht geben wird. Agendasetting und Vergabe von Fördermitteln lässt sich einfach nicht trennen, so wie uns das BMBF mit dem Aufruf glauben machen will bzw. glauben machen muss.

Zum Aufruf