Bachelorseminar „Deindustrializing Hoboken“

Heute beginnt das neue Semester, in dem ich estmals an der Universität Antwerpen lehren werde. Das Seminar ist forschungsnah konzipiert und soll Studierende auf dem Weg zu einer Thesis begleiten. Im ersten Semester werden wir dabei regelmäßige Sitzungen haben, in denen wir Texte und Quellen besprechen und mögliche Themen für die Thesis diskutieren. Im zweiten Semester (2022) werde ich die Bachelorarbeiten individuell weiter betreuen.

Mein Bachelorseminar ist Teil meines aktuellen Projekts zur Geschichte der Deindustrialisierung. Entsprechend schließt das Seminar an die Forschungsfragen dieses Projekts an:

Deindustrializing Hoboken. Everyday Life and Community in Transformation, 1970-2000

Like many other industrial towns in Europe, the city (since 1983 district) of Hoboken was deeply affected by deindustialization between the 1960s and the 1990s. With the closure of several plants, most prominently the Cockerill Shipyard in 1982, many people lost their jobs, families were confronted with an uncertain future and the local community had to adjust to an entirely new situation. Simultaneously to the challenge of declining employment opportunities, rising migration, demographic shifts and changing gender roles also had an impact on the neighbourhood. In this seminar we want to reconstruct how these shifts changed everyday life in Hoboken. Instead of telling a story of loss, however, the aim is to analyze how the people coped with the decline of the traditional industrial economy, found ways to compensate for loss and created new forms of economic, social and cultural activities that replaced the once dominant way of life attuned to industrial work.

In particular, the seminar will look into the following developments from the local perspective:

  • New forms of economic activity: Which kinds of jobs replaced industrial employment? How were these jobs obtained and organized? What role did public assistance, (small) entrepreneurship, or informal arrangements play? How important were illicit, or even illegal, economic activities?
  • Changing meanings of consumption: How did consumption relate to declining financial resources? Did strategies of (over-)compensation emerge, in which certain kinds of conspicuous consumption acquired a new cultural value? What role did shopping, displaying status symbols and routines of (self-)representation, in particular those in which people styled their bodies and sexuality, play.
  • Socializing and community: Which was the effect on those forms of social interaction, which shaped the sense of belonging in the neighbourhoods? Did people recede from the public sphere or did new bonds emerge among neighbours? What was the function of public activities, such as celebrations or sport events, in this?
  • Reorganizing civil society: How did local organizations, both formal and informal, such as citizens’ initiatives, political parties, interest groups or religious congregations, address challenges, set the agenda and take action? Which new organizations emerged and how did existing ones take up new issues?
  • The invention of an industrial past: Did the emergence of industrial heritage, preserving abandoned factories and plants as historical landmarks, complement the process of industrial decline? How was the memory of the fading industrial past constructed and how were its remnants turned into tangible and intangible assets in plans for redevelopment?

Finding answers to these questions entails the challenge to first acquire sources, some of which are not readily available, and then to organise the data retrieved from these sources in a meaningful way. In this seminar we will combine a diverse set of sources, including local newspapers, such as the Gazet van Antwerpen, material from social science studies, which were conducted in the 1980s, archival repositories at stadsarchief Antwerpen, such as letters of complaint, and finally sources which we will acquire through cooperation with the local community in Hoboken. This will require some “detective work” but will be rewarded by tapping into sources no-one has ever used. The focus will be on sources which refer to a specific location and offer data for serial analysis, such as recurring newspaper advertisements for a certain type of shop, standardized field notes from social science surveys or membership lists. We will then use GIS to analyse this qualitative data and try to identify spatial and temporal patterns of change. This approach to analysis is based on the assumption that the shifts in everyday life, which we are interested in, aggregated around places and nodes of social life, such as pubs, beauty parlours, sport grounds, employment centres, places of worship or abandoned industrial plants. These places were important either because they were the site of social interaction or because the figured prominently in the mental maps of the local community.

Halbzeit im Corona-Semester

Nach gut sechs Wochen digitaler Lehre haben sich viele Dinge eingependelt. Ich bin vor allem darüber erstaunt, wie gut die Lehrveranstaltungen auch in digitaler Form funktionieren. Dabei setze ich ausschließlich auf „asynchrone“ Kommunikation, d.h. ich verzichte auch Videokonferenzen und ähnliches. Stattdessen nutze ich intensiv die Diskussion über Foren und Etherpads (jeweils über die Lernplattform moodle). Was mich am meisten erstaunt ist, wie intensiv sich die Studierenden daran beteiligen. Mein Eindruck, auch aus den jeweiligen „Zeitstemplen“ der Forumsbeiträge, ist, dass viele es als angenehm empfinden, die Zeit selbst einteilen zu können. Natürlich erstezt das keine face-to-face Diskussionen und insbesondere die Diskussion der Studierenden untereinander findet kaum statt. Aber es hat eben auch Vorteile, vor allem – und das finde ich erstaunlich – die einer relativ hohen Beteiligung. Nach der bisherigen Erfahrung kann ich mir jedenfalls gut vorstellen, in meinen Lehrveranstaltungen in Zukunft Präsenztermine systematisch mit digitalen Angeboten zu kombinieren.

Archivexkursion Oberhausen

Die Oberhausener Lokalausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung berichtete am 4.7.2019 über die Archivexkursion, die ich mit meinem Seminar „Deindustrialisierung: Strukturwandel und Krisenerfahrung in den 1970er Jahren und 1980er Jahren“ durchgeführt habe. Auf Einladung von Magnus Dellwig, dem Leiter des Oberhausener Stadtarchivs haben wir eine Woche vor Ort in den Beständen recherchiert, um Antworten darauf zu finden, wie der Strukturwandel in einem besonders betroffenen Stadtteil erfahren wurde und welche Veränderungen im Alltag als problematisch wahrgenommen wurden.

Zum Artikel in der WAZ vom 4.7.2019: Studenten forschen im Oberhausener Archiv zum Strukturwandel

Lehrstuhlvertretung Technikgeschichte im WS17/18

Zum 1.10.2017 habe ich erneut eine Lehrstuhlvertretung übernommen. Nach einem Semester in Jena werde ich jetzt für ein halbes Jahr die Professur für Technikgeschichte an der TU Darmstadt vertreten.

Als Lehrveranstaltungen werde ich anbieten:

Stellenausschreibung Fachdidaktik (TU Darmstadt)

Das Institut für Geschichte der TU Darmstadt sucht zum 1. September 2017 eine/einen Wiss. Mitarbeiterin/Mitarbeiter für Fachdidaktik – 65 %

Die Stelle ist zunächst bis zum 30. September 2019 befristet. Der/die Stelleninhaber/in wird als Kontaktperson des Instituts für alle inner- und zwischenuniversitären Fragen des fächerübergreifenden Arbeitens, insbesondere in der Weiterentwicklung von MINT-Bezügen in der Geschichtsdidaktik fungieren. Ihm/ihr obliegt insbesondere die Federführung bei einem Projektantrag des Instituts im Rahmen der Exzellenzinitiative Lehrerbildung. Die Aufgaben umfassen außerdem Lehre im Umfang von 4 SWS, darunter die Veranstaltung ‚Schulpraktische Studien‘ sowie die Mitgestaltung von didaktischen Initiativen des Instituts, z. B. Schulprojekte, Weiterbildungsveranstaltungen, Mentorentage etc. Einstellungsvoraussetzungen sind ein hervorragendes Erstes Staatsexamen LaG Geschichte sowie ausgeprägte und nachgewiesene fachdidaktische Interessen und Kenntnisse. Wünschenswert ist darüber hinaus auch das Zweite Staatexamen sowie Erfahrungen im fächerübergreifenden Lehren und im Schreiben von Anträgen auf Förderung von Projekten.

Die Technische Universität Darmstadt strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen am Personal an und fordert deshalb besonders Frauen auf, sich zu bewerben. Bewerberinnen oder Bewerber mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder diesen Gleichgestellte werden bei gleicher Eignung bevorzugt. Die Vergütung erfolgt nach dem Tarifvertrag für die Technische Universität Darmstadt (TV – TU Darmstadt).

Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen unter Angabe der Kenn-Nummer zu senden an TU Darmstadt/ FB 02 , Institut für Geschichte, Geschäftsführender Direktor Prof. D. Dieter Schott, Dolivostr. 15, 64293 Darmstadt. Für Vorabinformationen steht Ihnen Herr Dr. Detlev Mares (E-Mail mares@pg.tu-darmstadt.de) zur Verfügung.

Kenn.-Nr. 207

Bewerbungsfrist: 30. Juni 2017

Lehrstuhlvertretung in Jena

Im Sommersemster 2017 übernehme ich die Vertretung des Lehrstuhls für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Zur Homepage des Lehrstuhls

Gestern war mein erster Arbeitstag und die ersten Lehrveranstaltungen haben bereits begonnen. Noch ist zwar vieles ungewohnt und neu, mein Büro ist noch ziemlich leer, aber die ersten Eindrücke sind sehr positiv und der Kontakt mit Kolleginnen, Kollegen und Studierenden sehr gut.

Insgesamt gebe ich vier Lehrveranstaltungen und bin an einem Oberseminar beteiligt:
VL: Perspektiven auf die Industrialisierung
HS: Holz – Kohle – Öl
Ü/S: Klassiker der Stadtforschung und Stadtplanung
Ü/S: „The History Manifesto“ und andere Stimmen zum aktuellen Stand der Geschichtswissenschaften
OS (gemeinsam mit Gisela Mettele): Neuere Forschungen zur Geschlechtergeschichte

Das Sommersemester über bin ich also überwiegend im Historischen Institut der Uni Jena zu finden.

Das Historische Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Das Historische Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Lehrforschungsprojekt: „Zeugen der Industrialisierung“

Im kommenden Sommersemster 2016 werde ich ein Lehrforschungsprojekt für MA-Studierende anbieten, in dem wir das 1858 von Hermann Wedding verfasste Tagebuch seiner  „Reise durch Thüringen, Bayern, Saarbrücken, Lothringen, Rhein, Westphalen“ edieren werden.

Die 1850er Jahre gelten als das Schlüsseljahrzehnt der Industrialisierung in den deutschen Staaten. Der Eisenbahnbau, der Aufstieg des Maschinenbaus und die Montanindustrie prägten als Leitsektoren die rasante wirtschaftliche und technologische Entwicklung dieses Jahrzehnts. In dieser Zeit bereiste Hermann Wedding, der später Professor für Eisenhüttenkunde wurde, West- und Süddeutschland. Seine Eindrücke und Beobachtungen zu neu entstandenen Fabriken, technologischen Innovationen, aber auch zur Geologie hielt Wedding in einem Reisetagebuch fest. Dieses knapp 100seitige Tagebuch mit Weddings handschriftlichen Einträgen ist erhalten geblieben und befindet sich in der Eisenbibliothek, Schaffhausen.

Ziel des Lehrforschungsprojekt ist es, das Reisetagebuch, das Wedding 1858 führte, zu erschließen, zu transkribieren, den Kontext aufzuarbeiten und den Text schließlich als Edition zugänglich zu machen. Eine Veröffentlichung der Edition in Kooperation mit der Eisenbibliothek, Schaffhausen ist vorgesehen. Interesse an der Arbeit mit handschriftlichen Quellen des 19. Jahrhunderts und die Bereitschaft, sich in das Lesen von Quellen in Kurrentschrift einzuarbeiten, sind Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Lehrforschungsprojekt.

Filmquelle: „A Place to Live“, 1948

In der letzten Sitzung meiner Übung „Klassiker der Stadtforschung und Stadtplanung“ in diesem Sommersemester haben wir uns mit der Filmquelle „A Place to Live“ aus dem Jahre 1948 befasst. Der Film, der für eine planmäßige Stadterneuerung in Philadelphia wirbt, entstand im Kontext der kommunalpolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem „Reform-Movement“, zu dem auch die Philadelpia Housing Association als Auftraggeberin dieses Films gehörte, und der republikanischen Stadtregierung, die eine Stadterneuerung als Eingriff in die Eigentumsrechte der Grundbesitzer weitgehend ablehnte. Der Film trägt ganz deutlich eine politische Botschaft: planmäßige Stadterneuerung als gezielte sozialpolitische Maßnahme.

Für die Abschlussdiskussion der Übung war die Filmquelle deshalb sinnvoll, weil in ihr die Kernaussagen mehrerer „klassischer“ Texte der Stadtforschung und Stadtplanung aufgegriffen und verdichtet werden. Im Laufe des Semseters haben wir Texte von Friedrich Engels, Ebenezer Howard, Georg Simmel, LeCorbusier, Jane Jacobs und anderen gelesen und diskutiert. Deren Vorstellungen von Stadt und deren Kritik lässt sich auf vielfältige Weise auch in dem Film von 1948 wiederfinden. Tatsächlich haben die Studierenden in der Abschlussdiskussion ziemlich genau herausarbeiten können, wie bestimmte Ideen, die wir in den verschiedenen Texten über das Semester hinweg kennengelernt haben, in dem Film aufgegriffen wurden. Insofern war „A Place to Live“ als Filmquelle hervorragend geeignet, nocheinmal die großen Zusammenhänge im Denken über Stadt und Stadtplanung im 19. und 20. Jahrhundert zu bündeln, wichtige Diskussionsstränge herauszustreichen und konkret an einem Beispiel festzumachen.

„A Place to Live“ auf archive.org

 

Übung „Materialität und Praktiken“

Heute letzte inhaltliche Sitzung meiner Übung „Materialität und Praktiken“. Diese Art von Lehrveranstaltungen, in denen wir über Theorieansätze am Beispiel programmatischer aber auch empirischer Texte sprechen, macht mir persönlich immer sehr viel Spaß. Ich habe auch den Eindruck, dass sie bei den Studierenden, vor allem bei denen mit Interesse an ihrem Studium, sehr beliebt sind. Immerhin haben wir, trotz der anspruchsvollen Texte, bis zum Ende des Semesters mit 11 Teilnehmern sehr intensiv diskutiert.

Nächste Woche, in der Abschlusssitzung, wird noch zu klären sein, was man mit den ganzen theoretischen und methodischen Ansätzen denn nun machen kann. Meiner Meinung nach, gibt es auf diese Frage keine konkrete Antwort. Ich mache mir auch keine Illusion, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer (inkl. mir selber) alle Texte restlos verstanden hätten. Aber, so hoffe ich, einige Bruchstücke bleiben doch auch langfristig hängen und verdichten sich im Laufe des Studiums zu klareren und umfassenderen Vorstellungen. Denn mir ging es bei dieser Übung darum, ein Gefühl für die theoretisch-methodische Dimension historischer Forschung zu entwickeln, auf die die Studierenden später bei Bedarf zurückkommen können. Bei der Gruppe, mit der ich die Texte zu „Materialität und Praktiken“ diskutieren konnte, habe ich definitiv den Eindruck, dass wir dieses Ziel erreicht haben.

Ü: Materialität und Praktiken – Seminarplan

Einführung in die Arbeit mit Quellen zur Umweltgeschichte der Frühindustrialisierung

In meinem Seminar (Umweltgeschichte der Industrialisierung) haben wir zu Letzt eine Reihe von archivalischen Quellen aus dem früh industrialisierten Siegerland gelesen. Aus diesem Quellenmaterial kann man mit den Studierenden hervorragend herausarbeiten, dass es bereits im 18. Jahrhundert Konflikte um Umweltverschmutzung und begrenzte Ressourcen gab – allen voran die auch in der Forschung breit diskutierte „Holznot“. So verlangte etwa die Oranien-Nassauische Regierung des Fürstentums Siegen 1779 ein Gutachten zu der Frage, „ob das Grubenholz von je her in einem solchen hohen Preise, wie gegenwärtig gestanden habe, oder ob es nach und nach und wann erhöhet worden sey und so weiter.“ Dieses Gutachten ist nicht nur überliefert, sondern liegt inzwischen auch als Digitalisat der Bestände des Landesarchivs NRW (Westfalen) online vor (Fürstentum Siegen, Oranien-Nassauische Behörden, Nr. I A 129, Digitalisat im DFG-Viewer).

Da es nicht nur Ziel des Seminars ist, etwas über Umweltkonflikte im Zusammenhang mit der Industrialisierung zu erfahren, sondern auch den Umgang mit archivalischen Quellen zu vertiefen, haben wir einige Stücke aus dieser digitalisierten Akte gemeinsam transkribiert. Hilfreich war zur Vorbereitung das Internetangebot Geschichte Online und hier insbesondere die „Ersten Schritte im Kurrent-Lesen„. Im weiteren Verlauf des Semesters werden wir das Kurrentschriftlesen und -transkribieren an weiteren Quellen aus dem digitaisierten Bestand einüben, die wir dann auf umweltgeschichtliche Fragen hin interpretieren können.