CfP: Die Un-Ordnung der Stadt

Der Call für die Nachwuchstagung der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung, die ich gemeinsam mit Rainer Liedtke (Regensburg) organisiere, ist draußen:

Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung
Nachwuchstagung: Die Un-Ordnung der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert
Regensburg, 28./29.09.2015

Das Leben in Städten war und ist permanent Gegenstand von Ordnungsversuchen. Oft überlagerten sich Vorstellungen von der baulichen, sozialen und politischen Ordnung der Stadt, etwa in der Idee der Trennung von Funktionen oder in der räumlichen Differenzierung sozialer Gruppen, sei es mit dem Ziel der Segregation oder der Integration. Solche Bestrebungen wurden aber immer auch durch politische und sozioökonomische Umbrüche oder Katastrophen herausgefordert und von konkurrierenden Ordnungsmustern unterlaufen. Ordnung entstand in dialektischem Verhältnis zur Unordnung. Zerstörung, Regimewechsel und wirtschaftliche wie soziale Umwälzungen kennzeichnen die historischen Situationen, in denen Ordnung neu verhandelt wurde. Ordnung wurde mitunter in der Auseinandersetzung mit persistenten Formen der Unordnung gewonnen, die freilich auch als konkurrierende Ordnungsmuster zu begreifen sind, wie etwa in der langen Tradition planerischer Ziele zur Beseitigung von „slums“ deutlich wird. Das Scheitern von Ordnungsversuchen zeigt auch, dass sich am Ende die bestehende soziale, politische und bauliche „Unordnung“ der Umsetzung von Ordnungsvorstellungen widersetzen konnte.

Die Nachwuchskonferenz der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung befasst sich mit den Ambivalenzen von Ordnungsbemühungen und dem dialektischen Verhältnis von Ordnung und Unordnung vorrangig im 19. und 20. Jahrhundert. Thematisiert werden soll insbesondere:
– das Spannungsverhältnis zwischen der Wahrnehmung von politischen, sozioökonomischen und räumlichen Umbrüchen einerseits und Ordnungsbestrebungen andererseits (beispielsweise Eingemeindungen, rapides Bevölkerungswachstum, Naturkatastrophen, Seuchen)
– wie Konzepte von „Ordnung“ mit Vorstellungen von Unordnung verknüpft waren und sich in Abgrenzung zu „Unordnung“ entwickelten.
– konkurrierende Ordnungsvorstellungen verschiedener städtischer Akteure auf der sozialen, politischen und baulichen Ebene
– wie „Unordnung“ Ordnungsabsichten unterlief und zu deren Scheitern führte.

Der Call for Papers wendet sich vor allem an WissenschaftlerInnen, die an einschlägigen Dissertationsvorhaben oder postdoktoralen Projekten arbeiten. Die Konferenzsprache ist Deutsch. Vorschläge für Vorträge werden bis zum 20. April 2015 erbeten an Prof. Dr. Rainer Liedtke, Lehrstuhl für Europäische Geschichte, Universität Regensburg, rainer.liedtke(at)ur.de

Übung „Materialität und Praktiken“

Heute letzte inhaltliche Sitzung meiner Übung „Materialität und Praktiken“. Diese Art von Lehrveranstaltungen, in denen wir über Theorieansätze am Beispiel programmatischer aber auch empirischer Texte sprechen, macht mir persönlich immer sehr viel Spaß. Ich habe auch den Eindruck, dass sie bei den Studierenden, vor allem bei denen mit Interesse an ihrem Studium, sehr beliebt sind. Immerhin haben wir, trotz der anspruchsvollen Texte, bis zum Ende des Semesters mit 11 Teilnehmern sehr intensiv diskutiert.

Nächste Woche, in der Abschlusssitzung, wird noch zu klären sein, was man mit den ganzen theoretischen und methodischen Ansätzen denn nun machen kann. Meiner Meinung nach, gibt es auf diese Frage keine konkrete Antwort. Ich mache mir auch keine Illusion, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer (inkl. mir selber) alle Texte restlos verstanden hätten. Aber, so hoffe ich, einige Bruchstücke bleiben doch auch langfristig hängen und verdichten sich im Laufe des Studiums zu klareren und umfassenderen Vorstellungen. Denn mir ging es bei dieser Übung darum, ein Gefühl für die theoretisch-methodische Dimension historischer Forschung zu entwickeln, auf die die Studierenden später bei Bedarf zurückkommen können. Bei der Gruppe, mit der ich die Texte zu „Materialität und Praktiken“ diskutieren konnte, habe ich definitiv den Eindruck, dass wir dieses Ziel erreicht haben.

Ü: Materialität und Praktiken – Seminarplan

SFB „Schwächediskurse und Ressourcenregime“

An der Universität Frankfurt ist ein neuer DFG Sonderforschungsbereich „Schwächediskurse und Ressourcenregime“ gestartet. Der Ressourcenbegriff ist dabei bewusst sehr weit gefasst – es gaht explizit nicht nur um Rohstoffe. Aber es geht eben auch um Rohstoffe als Ressourcen. Gerade in Verbindung mit der Untersuchung von Diskursen über „Schwäche“ scheint mir das Projekt sehr spannend zu werden. Oft ist es die Vorstellung davon, im Zugriff auf Rohstoffe benachteiligt zu sein oder von einer Entwicklung abgehängt zu werden, die den Umgang mit Rohstoffen verändert. Das gilt sogar nicht nur für Dikurse, die die relative Schwäche – etwa gegenüber anderen Staaten – thematisieren, sondern letztlich auch für globale Diagnosen, wie die „Holznot“ des 18. und 19. Jahrhunderts oder der Endlichkeitsdebatte, die seit den 1970er Jahren geführt wird. Insofern bin ich sehr darauf gespannt, was der SFB in den nächsten Jahren hervorbringt.

Leider gibt es bisher nur eine Pressemitteilung der Uni Frankfurt, eine eigene Homepage des SFB scheint noch nicht zu existieren.