Vortrag im Kolloquium des Institus für Soziale Bewegungen, Bochum

Am kommenden Montag, den 7.12.2015 um 18 Uhr bin ich zu einem Vortrag im Forschungskolloquium „Sozialstrukturen und soziale Bewegungen“ des Institus für Soziale Bewegungen in Bochum eingeladen.

Protest und Stadterneuerung in den 1970er Jahren

Abstract zum Vortrag

Zwischen den 1960er und 1980er Jahren kam es zu fundamentalen Veränderungen im Umgang mit dem städtebaulichen Erbe. Stadterneuerung wandelte sich von der sogenannten „Flächensanierung“ zur „erhaltenden Erneuerung“. In der Bundesrepublik Deutschland waren es vor allem die Stadtteile der Gründerzeit, aber z.B. auch Arbeitersiedlungen, die in den 1960ern zum Abriss vorgesehen waren, dann aber binnen eines Jahrzehnts zu erhaltenswerten und nachgefragten Wohnlagen avancierten. Über die Ursachen und Hintergründe dieses städtebaulichen Paradigmenwechsels ist seither viel diskutiert worden. Ein Erklärungsfaktor, der immer wieder hinter diesem Wandel ausgemacht wurde, war die in den 1970er Jahren zunehmende Protestaktivität. Bürgerinitiativen und lokale Protestgruppen setzten sich explizit für den Erhalt alter Bausubstanz und bestehender Stadtstrukturen ein.

In meinem Vortrag werde ich die Rolle solcher Protestinitiativen im Kontext breiterer historischer Prozesse analysieren, die in den 1970er Jahren kulminierten: erstens im Kontext des Wertewandels, zweitens der Verwissenschaftlichung des Sozialen und drittens der Entstehung der architektonischen Postmoderne. Dabei wird deutlich, dass Protest sich einerseits nicht einfach an der Entrüstung über „Kahlschlagsanierungen“ entzündete, sondern sich vor allem aus kontextuellen Veränderungen speiste. Es zeigt sich andererseits auch, dass der Einfluss, den die gesteigerte Protestaktivität zweifelsohne auf den städtebaulichen Paradigmenwechsel hatte, nicht auf die Wirksamkeit populärer Widerständigkeit reduziert werden kann.

 

Aufsatz „Protest und Wertewandel“ erschienen

In dieser Woche ist mein Aufsatz „Protest und Wertewandel. Zur Dynamik von Planungskulturen in den 1970er Jahren“ in dem von Frank Othengrafen und Martin Sondermann herausgegebenen Band 23 der Reihe Planungsrundschau erschienen. In diesem Sammelband wird das Konzept der Planungskulturen diskutiert, das vor allem in den Planungswissenschaften als Ansatz genutzt wird, um den Wandel von Leitbildern, Verfahren und der baulichen Umsetzung städtebaulicher Planung zu analysieren. Der Blick auf die 1970er Jahre ist dafür besonders instruktiv, werden die Veränderungen in diesem Jahrzehnt doch häufig als Paradigmenwechsel von einer technokratischen zu einer partizipativen Planung beschrieben.

Protest und Wertewandel. Zur Dynamik von Planungskulturen in den 1970er Jahren, in: Frank Othengrafen und Martin Sondermann (Hg.): Städtische Planungskulturen im Spiegel von Konflikten, Protesten und Initiativen, Berlin 2015, S. 87-110.

Zur Internetseite der Reihe Planungsrundschau

Neue Literatur zu Jane Jacobs

Im Kontext der Tagung „Queen Jane Jacobs. Jane Jacobs and paradigm shifts in urban planning and urban redevelopment“, an der ich im Mai 2011 teilgenommen hatte, sind jetzt zwei Veröffentlichungen erschienen. Dirk Schubert hat eine Biographie über Jacobs geschrieben, die in der Reihe „Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung“ erschienen ist. Ebenfalls von Dirk Schubert herausgegeben wurden die Beiträge der Tagung von 2011 in einem Sammelband bei Ashgate.

Dirk Schubert: Jane Jacobs und die Zukunft der Stadt. Diskurse – Perspektiven – Paradigmenwechsel (=Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung 17), Franz Steiner Verlag 2014.

Dirk Schubert (Hrsg.): Contemporary Perspectives on Jane Jacobs. Reassessing the Impacts of an Urban Visionary, Ashgate 2014.

Corlears Hook Slum Clearance Plan, 1951

In meiner heutigen Übung habe ich mit den Studierenden den Plan des New Yorker „Committee on Slum Clearance“ für die Gegend Corlears Hook in Manhattan diskutiert. Der Plan gehört zur ersten Generation von Stadterneuerungsprojekten nach dem Housing Act of 1949, der den Einfluss des Bundes auf die Entwicklung der Städte wesentlich stärkte. Die Bundesregierung stellte finanzielle Mittel zur Verfüngung, gab aber gleichzeitig vor, wie diese zu verwenden seien.

Aus der Broschüre zur Sanierung von Corlears Hook lassen alle wichtigen Merkmale US-Amerikanischer Stadterneuerungspolitik der 1950er und 1960er Jahre herauslesen: die Rolle privater Investoren im Rahmen der Sanierung nach Title I des Housing Acts, die Rechtfertigung der Flächensanierung mit quantitativen Aussagen zur Verslummung, die Begründung für die Dominanz des Individualverkehrs und die Bildung von Super-Blocks, aber auch der Fortbestand der alten Rohr- und Kabelinfrastruktur. Beispielhaft können an diesem Dokument die Voraussetzungen und Folgen der Stadterneuerungsplanung der 1950er und 1960er in New York und anderen Städten gezeigt werden, die von einem unbedingten Machbarkeitsglauben geprägt war.

Die Quelle ist online verfügbar: Committee on Slum Clearance Plans: Corlears Hook. Slum Clearance Plan under Title I of the Housing Act of 1949, New York 1951.

Zur Vorbereitung empfiehlt sich: Ballon, Hilary: Robert Moses and Urban Renewal. The Title I Program, in: dies. / Kenneth T. Jackson (Hg.): Robert Moses and the Modern City. The transformation of New York, New York 2007, S. 94-115.

In der Quelle sind vor allem auch diejenigen planerischen Prämissen und städtebaulichen Forderungen umrissen, gegen die sich Jane Jacobs zehn Jahre später in ihrem Buch „The Death and Life of Great American Cities“ wandte. Insofern eignet sich die Quelle auch als Ausgangspunkt zur Diskussion von Jacobs‘ Kritik.