Rezension: „Wohnen und die Ökonomie des Raums“

Eine Rezension des Schweizerischen Jahrbuches für Wirtschafts- und Sozialgeschichte „Wohnen und die Ökonomie des Raums“ ist auf H-Soz-kult erschienen. Darin unter anderem mein Beitrag „Bürgerinitiative für preiswerten Wohnraum. Zivilgesellschaftliche Strategien in den USA und West-Deutschland“, der zwar nicht einzeln besprochen wird, aber doch ganz gut in das Gesamtbild der Rezension passt.

Zur Rezension

Tagung: Cities and Societies in Transition? The 1970s in West Germany and Italy

Das Programm zur Tagung Tagung „Cities and Societies in Transition? The 1970s in West Germany and Italy / Città e società in transizione? Gli anni Settanta nella Germania occidentale e in Italia“ ist online. Die Tagung findet am 21./22.5.2015 am Deutschen Historischen Institut in Rom statt und ist eine Kooperation des Deutschen Historischen Institut in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU) und der Associazione Italiana di Storia Urbana (AISU), mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Ich werde dort über die westdeutsche Rezeption italienischer urbaner Protestbewegungen um 1977 sprechen. In den 1970er Jahren hatte die italienische Linke eine erhebliche Ausstrahlungskraft. Sie erschien in ihren Forderungen (relativ) erfolgreich, hatte mit der ausgesprochen starken Kommunitischen Partei Italiens einen (vermeintlichen) Bündnispartner und entwickelte kreative Protestformen, wie z.B. die Aktionen der „Stadtinidianer“. All das faszinierte Aktivisten aus dem westdeutschen links-alternativen Milieu, die sich gerade 1977, dem Jahr des „Deutschen Herbstes“, in einer Reorientierungsphase befanden und deswegen die italienischen Vorbilder breit thematisierten.

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Das topologische Manifest

Im Rahmen der Abschlusskonferenz des Graduiertenkollegs „Topologie der Technik“, das vom 18.-20.3.2015 in Darmstadt stattfand, wurde das „Topologische Manifest“ präsentiert und diskutiert. Das Manifest verspricht, die Erkenntnisse der Arbeit des Graduiertenkollegs zu bündeln – angesichts der Heterogenität der Themen und der beteiligten Disziplinen eine Herausforderung. Im Kern geht es im Manifest darum, Ansätze, die Raum als relationales Gefüge verstehen, um die Rolle von „Technik“ zu erweitern bzw. zu konkretisieren. Anstatt dieses Argument aber konsequent zuzuspitzen, verzettelt sich das Manifest ein wenig in der Darstellung verschiedener „Räume“, in denen Technik eine evidente Rolle spielt: „Sicherheitsräume“, „Regierungsräume“, „Transport- und Mobilitätsräume“, usw.  Gerade im Sinne des Charakters als „Manifest“ hätte ich mir aber eine stärkere thesenhafte Konzentration auf möglichst allgemeingültige Aussagen gewünscht.

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Esch: Electri_City

Rüdiger Esch: Electri_City. Elektronische Musik aus Düsseldorf, Frankfurt/M. 2014.

Nun muss ich doch einmal ein paar Worte über meine Urlaubslektüre verlieren. Als jemand, der in Düsseldorf groß geworden ist und sich für elektronische Musik interessiert, musste ich dieses Buch lesen. Denn von dem, was in Düsseldorf in den 1970er Jahren musikalisch und künstlerisch passiert ist, bin ich nach wie vor fasziniert. Ob es wirklich so faszinierend war wie es im Nachhinein so erzählt wird, steht auf einem anderen Blatt. Nichstdestotrotz ist es auffällig, wie „schräge“ Dinge, die es anderswo mit Sicherheit auch gegeben hat, im Düsseldorf der 1970er Jahre eine so große Popularität erreicht haben, dass heute noch ehrfurchtsvoll davon berichtet wird – genau das tut auch Esch in seinem Buch.  Die Frage, die Esch in den Mittelpunkt stellt, ist dabei wieder extrem spannend: was war das besondere an Düsseldorf in den 1970er Jahren? Also ein Buch, das über die „Eigenglogik“ Düsseldorfs Aufschluss gibt? Leider nicht. Denn leider schreibt Esch kaum über die Stadt. Er schreibt ausschließlich über den Mikrokosmos der beteiligten Musiker – (fast) ohne Kontext und vor allem (fast) ortlos. Er erklärt die Dynamik der Düsseldorfer Musik“szene“ ausschließlich aus sich selbst heraus, bestenfalls garniert mit Hinweisen auf die Musik, die die Düsseldorfer inspiriert hat. Über den städtischen Kontext mit seinen Besonderheiten, den Esch in der Einleitung sehr stark macht, erfährt der Leser dann erschreckend wenig. Für den Stadthistoriker als Leser ist dieses Buch gemessen an Eschs Ankündigungen eine Enttäuschung.

Geschichte der Kleinwasserkraft

Mein Kollege Christian Zumbrägel informiert jetzt in seinem neuen blog über sein Promotionsprojekt „Geschichte der Kleinwasserkraft“. Ich freue mich darauf, in Zukunft über die Zwischenergebisse und kleinen Ausschnitte aus dem Fortgang des Projekts auf dem neuen blog zu lesen (falls wir mal nicht die Gelegenheit haben, bei einem Kaffee darüber zu sprechen).

Zum blog „Geschichte der Kleinwasserkraft“

Lehre im Sommersemester 2015

Im kommenden Sommersemester biete ich lediglich eine Übung an:

Klassiker der Stadtforschung und Stadtplanung“

Beschreibung:
Städte waren seit jeher eine besondere Siedlungsform: Siesind durch Dichte und Heterogenität gekennzeichnet, in ihnen konzentrieren sichherausgehobenegesellschaftliche und politische Funktionen und sie sind Knotenpunkte einer Vielzahl von Netzwerken. Über diese und weitere Besonderheiten wurde seit dem 19. Jahrhundert breit reflektiert. Zunehmend spielte dabei die wissenschaftliche Analyse städtischer Gesellschaften eine Rolle, die explizit auch zur Durchsetzung planerischer Eingriffe herangezogen wurde. Stadtforschung und Stadtplanung waren miteinander verzahnt.
Aus der Vielzahl der Publikationen aus diesem Kontext ragen eine Reihe von Texten heraus, die zu „Klass
ikern“ geworden sind. Auf sie wurde und wird immer wieder Bezug genommen, wenn über Stadtgesellschaft und Stadtplanung diskutiert wird. Ob Friedrich Engels in seiner Schrift zur „Lage der arbeitenden Klasse in England“ von 1845, Ebenezer Howards Konzeption der Gartenstadt um 1900 oder Jane Jacobs Kritik an der modernen Stadtplanung in „The Death and Life of Great American Cities“ von 1961, immer wurden städtische Phänomene als besondere Form gesellschaftlicher Probleme aber auch als Potenzial thematisiert. In dieser Übung werden wir einige dieser „Klassiker“ gemeinsam lesen und diskutieren.

Anmeldungen für Studierende der TU Darmstadt sind ab dem 1.3.2015 über TUCaN möglich.

Neu gelesen: Technologietransfer im frühen 19. Jahrhundert

In den vergangenen Tagen habe ich mich eingehend mit der Literatur zum Technologietransfer in der Hüttenindustrie während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auseinandergesetzt. Erklärungsbedürftig ist insbesondere, dass die Umstellung der Eisenerzverhüttung von Holzkohle auf Steinkohlekoks in Großbritannien schon am Ende des 18. Jahrhunderts stattfand, auf dem europäischen Kontinent aber erst in den 1820er Jahren in Belgien und in den 1850er Jahren in den deutschen Staaten „nachgeholt“ wurde. Das Wissen um die Möglichkeiten, mit Koks zu verhütten, war schon um 1800 weit verbreitet und auch die Versuche, den Transfer von Wissen aus Großbritannien zu unterbinden, waren offensichtlich nicht durchzusetzen. Warum also wurde das Wissen nicht angewendet?

Die Forschungslage zu dieser Frage ist umfangreich. Die meisten der Studien wurden in den 1960er bis 1980er Jahren durchgeführt. Genannt werden üblicherweise drei Faktoren:

1. Das reine Wissen um den Aufbau und die Funktionsweise von Kokshochöfen reichte nicht aus. Da das Schmelzen von Eisenerzen „a kind of cookery“ (Landes, 1969, S.92) war, kam es auf das Erfahrungswissen der Hochofenarbeiter an. Diese mussten nach Gefühl entscheiden, welche Menge Koks, Erze und Zuschläge eingebracht werden sollten, und die Temperaturentwicklung regulieren. Dieses Erfahrungswissen war schwer zu abstrahieren, entzog sich dem Transfer über Publikationen und Zeichnungen und führte zum Scheitern vieler Experimente mit Kokshochöfen.

2. Die Ausstattung der jeweiligen Standorte mit natürlichen Ressourcen variierte. In Großbritannien lagen Erze und Steinkohlen besonders nah beieinander. Zudem waren die Eigenschaften der Steinkohle für die Verhüttung geeignet. Beides war auf dem Kontinent meist nicht der Fall. Die Ausnahme der relativ frühen Industrialisierung Belgiens etwa wird darauf zurückgeführt, dass hier die Rohstoffe ähnlich dicht wie in Großbritannien beisammen lagen. Erst mit dem Ausbau von Bahnverbindungen nahm die Bedeutung der räumlichen Nähe der Rohstofflagerstätten ab.

3. Sind ökonomische Bedingungen als Ursache für die „verzögerte“ Umstellung auf die Verhüttung mit Steinkohlekoks angeführt worden. Kapitalmangel und wirtschaftspolitische Entscheidungen sollen eine Rolle gespielt haben. Insbesondere Rainer Fremdling aber hat darauf hingewiesen, dass die Umstellung auf Koks in den meisten Situationen lange Zeit keineswegs kostengünstiger gewesen sei. Entsprechende Versuche scheiterten ökonomisch, weil sie die Kosten der Holzkohlebefuerung letztlich überstiegen und Profite nicht zu erzielen waren.

Die drei Erklärungsmodelle weisen in je unterschiedliche Richtungen: Das erste Erklärungsmodell zielt auf die Praktiken der Verhüttung ab, also die routinisierten Handlungsabläufe am Hochofen. Die zweite Erklärung auf die Materialität der Rohstoffe, insbesondere auf ihre Verteilung und physikalischen Eigenschaften. Die dritte Perspektive rückt die ökonomische Rationalität der Akteure in den Mittelpunkt. Insbesondere die in den ersten beiden Erklärungsmodellen präsentierten Faktoren müssen allerdings neu angegangen werden, liegt ihnen in der Forschungsliterartur der 1960er bis 1980er Jahre eine recht naive Vorstellung von Praktiken und Materialität zu Grunde.

Literatur (Auswahl):

Rainer Fremdling, Technologischer Wandel und internationaler Handel im 18. und 19. Jahrhundert. Die Eisenindustrien in Grossbritannien Belgien Frankreich und Deutschland, Berlin 1986.

William O. Henderson, Britain and industrial Europe 1750-1870. Studies in British influence on the industrial revolution in Western Europe, Liverpool 1954.

David S. Landes, The unbound Prometheus. Technological change and industrial development in Western Europe from 1750 to the present, Cambridge 1969.

Sidney Pollard, Peaceful conquest. The industrialization of Europe 1760-1970, New York 1981.

EAUH 2016: Call for Sessions

EAUH2016-logo

Der Call for Sessions für die nächste Tagung der European Association for Urban History in Helsinki vom 24.-27.8.2016 ist eröffnet. Noch bis 1. März 2015 können Vorschläge für Sektionen eingereicht werden. Für die angenommen Sektionen können dann in einer zweiten Phase zwischen Juni und Oktober 2015 Beiträge von den Organisatoren der Sektionen eingeworben werden.

Mehr zur Tagung und zum Call for Sessions

CfP: Die Un-Ordnung der Stadt

Der Call für die Nachwuchstagung der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung, die ich gemeinsam mit Rainer Liedtke (Regensburg) organisiere, ist draußen:

Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung
Nachwuchstagung: Die Un-Ordnung der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert
Regensburg, 28./29.09.2015

Das Leben in Städten war und ist permanent Gegenstand von Ordnungsversuchen. Oft überlagerten sich Vorstellungen von der baulichen, sozialen und politischen Ordnung der Stadt, etwa in der Idee der Trennung von Funktionen oder in der räumlichen Differenzierung sozialer Gruppen, sei es mit dem Ziel der Segregation oder der Integration. Solche Bestrebungen wurden aber immer auch durch politische und sozioökonomische Umbrüche oder Katastrophen herausgefordert und von konkurrierenden Ordnungsmustern unterlaufen. Ordnung entstand in dialektischem Verhältnis zur Unordnung. Zerstörung, Regimewechsel und wirtschaftliche wie soziale Umwälzungen kennzeichnen die historischen Situationen, in denen Ordnung neu verhandelt wurde. Ordnung wurde mitunter in der Auseinandersetzung mit persistenten Formen der Unordnung gewonnen, die freilich auch als konkurrierende Ordnungsmuster zu begreifen sind, wie etwa in der langen Tradition planerischer Ziele zur Beseitigung von „slums“ deutlich wird. Das Scheitern von Ordnungsversuchen zeigt auch, dass sich am Ende die bestehende soziale, politische und bauliche „Unordnung“ der Umsetzung von Ordnungsvorstellungen widersetzen konnte.

Die Nachwuchskonferenz der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung befasst sich mit den Ambivalenzen von Ordnungsbemühungen und dem dialektischen Verhältnis von Ordnung und Unordnung vorrangig im 19. und 20. Jahrhundert. Thematisiert werden soll insbesondere:
– das Spannungsverhältnis zwischen der Wahrnehmung von politischen, sozioökonomischen und räumlichen Umbrüchen einerseits und Ordnungsbestrebungen andererseits (beispielsweise Eingemeindungen, rapides Bevölkerungswachstum, Naturkatastrophen, Seuchen)
– wie Konzepte von „Ordnung“ mit Vorstellungen von Unordnung verknüpft waren und sich in Abgrenzung zu „Unordnung“ entwickelten.
– konkurrierende Ordnungsvorstellungen verschiedener städtischer Akteure auf der sozialen, politischen und baulichen Ebene
– wie „Unordnung“ Ordnungsabsichten unterlief und zu deren Scheitern führte.

Der Call for Papers wendet sich vor allem an WissenschaftlerInnen, die an einschlägigen Dissertationsvorhaben oder postdoktoralen Projekten arbeiten. Die Konferenzsprache ist Deutsch. Vorschläge für Vorträge werden bis zum 20. April 2015 erbeten an Prof. Dr. Rainer Liedtke, Lehrstuhl für Europäische Geschichte, Universität Regensburg, rainer.liedtke(at)ur.de

Übung „Materialität und Praktiken“

Heute letzte inhaltliche Sitzung meiner Übung „Materialität und Praktiken“. Diese Art von Lehrveranstaltungen, in denen wir über Theorieansätze am Beispiel programmatischer aber auch empirischer Texte sprechen, macht mir persönlich immer sehr viel Spaß. Ich habe auch den Eindruck, dass sie bei den Studierenden, vor allem bei denen mit Interesse an ihrem Studium, sehr beliebt sind. Immerhin haben wir, trotz der anspruchsvollen Texte, bis zum Ende des Semesters mit 11 Teilnehmern sehr intensiv diskutiert.

Nächste Woche, in der Abschlusssitzung, wird noch zu klären sein, was man mit den ganzen theoretischen und methodischen Ansätzen denn nun machen kann. Meiner Meinung nach, gibt es auf diese Frage keine konkrete Antwort. Ich mache mir auch keine Illusion, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer (inkl. mir selber) alle Texte restlos verstanden hätten. Aber, so hoffe ich, einige Bruchstücke bleiben doch auch langfristig hängen und verdichten sich im Laufe des Studiums zu klareren und umfassenderen Vorstellungen. Denn mir ging es bei dieser Übung darum, ein Gefühl für die theoretisch-methodische Dimension historischer Forschung zu entwickeln, auf die die Studierenden später bei Bedarf zurückkommen können. Bei der Gruppe, mit der ich die Texte zu „Materialität und Praktiken“ diskutieren konnte, habe ich definitiv den Eindruck, dass wir dieses Ziel erreicht haben.

Ü: Materialität und Praktiken – Seminarplan