Rezension zu Führer: Die Stadt, das Geld und der Markt

Vor einigen Tagen ist meine Rezension von Karl Christian Führers Buch über Immobilienspekulation in den 1960er-1980er Jahren auf H-Soz-u-Kult erschienen. Ein sehr lesenswertes Buch, wie ich finde.

Führer, Karl Christian: Die Stadt, das Geld und der Markt. Immobilienspekulation in der Bundesrepublik 1960-1985 Berlin 2016.

Zur Rezension

Vortrag im Kolloquium des Institus für Soziale Bewegungen, Bochum

Am kommenden Montag, den 7.12.2015 um 18 Uhr bin ich zu einem Vortrag im Forschungskolloquium „Sozialstrukturen und soziale Bewegungen“ des Institus für Soziale Bewegungen in Bochum eingeladen.

Protest und Stadterneuerung in den 1970er Jahren

Abstract zum Vortrag

Zwischen den 1960er und 1980er Jahren kam es zu fundamentalen Veränderungen im Umgang mit dem städtebaulichen Erbe. Stadterneuerung wandelte sich von der sogenannten „Flächensanierung“ zur „erhaltenden Erneuerung“. In der Bundesrepublik Deutschland waren es vor allem die Stadtteile der Gründerzeit, aber z.B. auch Arbeitersiedlungen, die in den 1960ern zum Abriss vorgesehen waren, dann aber binnen eines Jahrzehnts zu erhaltenswerten und nachgefragten Wohnlagen avancierten. Über die Ursachen und Hintergründe dieses städtebaulichen Paradigmenwechsels ist seither viel diskutiert worden. Ein Erklärungsfaktor, der immer wieder hinter diesem Wandel ausgemacht wurde, war die in den 1970er Jahren zunehmende Protestaktivität. Bürgerinitiativen und lokale Protestgruppen setzten sich explizit für den Erhalt alter Bausubstanz und bestehender Stadtstrukturen ein.

In meinem Vortrag werde ich die Rolle solcher Protestinitiativen im Kontext breiterer historischer Prozesse analysieren, die in den 1970er Jahren kulminierten: erstens im Kontext des Wertewandels, zweitens der Verwissenschaftlichung des Sozialen und drittens der Entstehung der architektonischen Postmoderne. Dabei wird deutlich, dass Protest sich einerseits nicht einfach an der Entrüstung über „Kahlschlagsanierungen“ entzündete, sondern sich vor allem aus kontextuellen Veränderungen speiste. Es zeigt sich andererseits auch, dass der Einfluss, den die gesteigerte Protestaktivität zweifelsohne auf den städtebaulichen Paradigmenwechsel hatte, nicht auf die Wirksamkeit populärer Widerständigkeit reduziert werden kann.

 

Archiv für alternatives Schrifttum in NRW

Im November 2015 bin ich Mitglied im Verein „Archiv für alternatives Schrifttum in NRW“ (afas) geworden. Das afas ist eines der größten Archive, in dem vor allem Zeitschriften und andere Veröffentlichungen der Protestbewegungen der 1970er und 1980er Jahre aufbewahrt werden. Als freies Archiv ist es auf die Unterstützung von Vereinsmitgliedern und Spenden angewiesen, die das Archiv neben projektabhängigen Fördergeldern finanzieren.

Ich selber habe im afas 2005 für meine Magisterarbeit und dann nochmal 2006 für die Dissertation recherchiert. Mich haben damals nicht nur die umfangreichen Bestände beeindruckt. Auch die Unterstützung durch Jürgen Bacia, der das afas leitet, hat die Arbeit dort sehr angenehm und produktiv gemacht. Deswegen bin ich jetzt Mitglied geworden und kann auch jedem, der zur Geschichte von Protestbewegungen in der Bundesrepublik forschen will, nur empfehlen einmal dort vorbeizuschauen – und natürlich das afas zu unterstützen, damit es auch in Zukunft fortbestehen kann.

Zur Hompeage des afas

CfP: Lived Experience and Reputation in Twentieth-century Mass Housing (EAUH 2016)

We invite paper proposals for a session at the EAUH 2016: At Home in the „Concrete Jungle“: Lived Experience and Reputation in Twentieth-century Mass Housing (Session M33)

European Association for Urban History
13th International Conference on Urban History
Helsinki, 24-27 August 2016

Deadline: October 31, 2015

Session Organizers:
Laura Falender, University of Oslo, Norway
Sebastian Haumann, TU Darmstadt, Germany

In studies of twentieth-century mass housing estates and “new towns,” many scholars have examined the production end: the planning, design, and construction of new housing projects. Less attention has been given to the consumption side: the lived experience in new social and spatial housing environments, and ways in which these areas were interpreted and established (often negative) reputations. Indeed, a tension between the disparate accounts of the consumption side—the residents’ accounts of community-formation on the one hand, and outsiders’ condemnations of “concrete jungles” and “soulless suburbs” on the other—has been characteristic. In many ways, this tension has shaped life within and the policies concerning housing estates until today.
The purpose of this session is to initiate a comparative debate on the experiential and interpretative realm of mass housing in the twentieth century. We invite papers from any disciplinary background to consider this tension between experience and reputation. Questions that papers might consider include:
• Why did architects’ and politicians’ intentions for new mass housing not translate into broad public acceptance or enthusiasm?
• Which were the crucial historical junctures for the divergence of experience and reputation?
• What actors were involved in establishing a local “sense of place” in new housing developments, or in building negative reputations?
• How did insider- and outsider-produced narratives compare in terms of themes, reasoning and rhetoric?
• What consequences arose from tensions between lived experience and reputation?
While most of the questions appear to be relevant for all “Western” societies, hinting at major commonalities, answers will differ considerably. A great variation in terms of the nature of the state (e.g. liberal, social-democratic); the size, accessibility, and potential regulation of the private housing market; and the class context in which mechanisms of social sorting related to housing occurred, existed throughout Western Europe and North America. By reflecting on commonalities and differences we expect to clarify key factors and turning points in the contentious history of mass housing estates.

To submit a paper proposal, please create a user account on the conference management system https://eauh2016.net/programme/call-for-papers/ and upload your abstract (Max. 300 Words) to session M33. The deadline for paper proposals is October 31, 2015. We will inform you by December 15 about the acceptance of your proposal.

For further information on the EAUH conference, please visit the conference website at: https://eauh2016.net

Aufsatz „Protest und Wertewandel“ erschienen

In dieser Woche ist mein Aufsatz „Protest und Wertewandel. Zur Dynamik von Planungskulturen in den 1970er Jahren“ in dem von Frank Othengrafen und Martin Sondermann herausgegebenen Band 23 der Reihe Planungsrundschau erschienen. In diesem Sammelband wird das Konzept der Planungskulturen diskutiert, das vor allem in den Planungswissenschaften als Ansatz genutzt wird, um den Wandel von Leitbildern, Verfahren und der baulichen Umsetzung städtebaulicher Planung zu analysieren. Der Blick auf die 1970er Jahre ist dafür besonders instruktiv, werden die Veränderungen in diesem Jahrzehnt doch häufig als Paradigmenwechsel von einer technokratischen zu einer partizipativen Planung beschrieben.

Protest und Wertewandel. Zur Dynamik von Planungskulturen in den 1970er Jahren, in: Frank Othengrafen und Martin Sondermann (Hg.): Städtische Planungskulturen im Spiegel von Konflikten, Protesten und Initiativen, Berlin 2015, S. 87-110.

Zur Internetseite der Reihe Planungsrundschau

Tagung: Cities and Societies in Transition? The 1970s in West Germany and Italy

Das Programm zur Tagung Tagung „Cities and Societies in Transition? The 1970s in West Germany and Italy / Città e società in transizione? Gli anni Settanta nella Germania occidentale e in Italia“ ist online. Die Tagung findet am 21./22.5.2015 am Deutschen Historischen Institut in Rom statt und ist eine Kooperation des Deutschen Historischen Institut in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU) und der Associazione Italiana di Storia Urbana (AISU), mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Ich werde dort über die westdeutsche Rezeption italienischer urbaner Protestbewegungen um 1977 sprechen. In den 1970er Jahren hatte die italienische Linke eine erhebliche Ausstrahlungskraft. Sie erschien in ihren Forderungen (relativ) erfolgreich, hatte mit der ausgesprochen starken Kommunitischen Partei Italiens einen (vermeintlichen) Bündnispartner und entwickelte kreative Protestformen, wie z.B. die Aktionen der „Stadtinidianer“. All das faszinierte Aktivisten aus dem westdeutschen links-alternativen Milieu, die sich gerade 1977, dem Jahr des „Deutschen Herbstes“, in einer Reorientierungsphase befanden und deswegen die italienischen Vorbilder breit thematisierten.

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Esch: Electri_City

Rüdiger Esch: Electri_City. Elektronische Musik aus Düsseldorf, Frankfurt/M. 2014.

Nun muss ich doch einmal ein paar Worte über meine Urlaubslektüre verlieren. Als jemand, der in Düsseldorf groß geworden ist und sich für elektronische Musik interessiert, musste ich dieses Buch lesen. Denn von dem, was in Düsseldorf in den 1970er Jahren musikalisch und künstlerisch passiert ist, bin ich nach wie vor fasziniert. Ob es wirklich so faszinierend war wie es im Nachhinein so erzählt wird, steht auf einem anderen Blatt. Nichstdestotrotz ist es auffällig, wie „schräge“ Dinge, die es anderswo mit Sicherheit auch gegeben hat, im Düsseldorf der 1970er Jahre eine so große Popularität erreicht haben, dass heute noch ehrfurchtsvoll davon berichtet wird – genau das tut auch Esch in seinem Buch.  Die Frage, die Esch in den Mittelpunkt stellt, ist dabei wieder extrem spannend: was war das besondere an Düsseldorf in den 1970er Jahren? Also ein Buch, das über die „Eigenglogik“ Düsseldorfs Aufschluss gibt? Leider nicht. Denn leider schreibt Esch kaum über die Stadt. Er schreibt ausschließlich über den Mikrokosmos der beteiligten Musiker – (fast) ohne Kontext und vor allem (fast) ortlos. Er erklärt die Dynamik der Düsseldorfer Musik“szene“ ausschließlich aus sich selbst heraus, bestenfalls garniert mit Hinweisen auf die Musik, die die Düsseldorfer inspiriert hat. Über den städtischen Kontext mit seinen Besonderheiten, den Esch in der Einleitung sehr stark macht, erfährt der Leser dann erschreckend wenig. Für den Stadthistoriker als Leser ist dieses Buch gemessen an Eschs Ankündigungen eine Enttäuschung.

Neue Veröffentlichung: „Bürgerinitiative für preiswerten Wohnraum“

Mitte Oktober 2014 neu erschienen ist Band 28 des Schweizerischen Jahrbuchs für Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit dem Titel „Wohnen und die Ökonomie des Raums – L’habitat et l’économie de l’espace“. Der Band geht auf eine Tagung zurück, die im Mai 2011 in Bern stattfand. In meinem Beitrag ziehe ich einen transatlantischen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Strategien, die zivilgesellschaftliche Organisationen in den 1960er und 1970er Jahren einschlugen, um für den Erhalt preiswerten Wohnraums in innenstadtnahen Wohngebieten zu sorgen. Die neighborhood organizations der USA setzten dabei insgesamt eher auf direkte Interventionen im Immobilienmarkt, während bundesdeutsche Gruppen den Weg über die kommunalpolitische Regulierung wählten. In der öffentlichen Debatte der letzten Jahre („Mietpreisbremse“) ist das Thema wieder sehr aktuell geworden – ein Blick in die Geschichte lohnt!

Bürgerinitiative für preiswerten Wohnraum. Zivilgesellschaftliche Strategien in den USA und West-Deutschland, 1960–1990, in: Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
28 (2014), S. 295-313.

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